Forscher setzen Zugspitze unter Strom
Forscher setzen den Gipfel der Zugspitze unter Strom - und zwar buchstäblich: Indem sie die elektrische Leitfähigkeit des Gesteins messen, können sie die Temperatur in seinem Inneren bestimmen, ohne Löcher in den Fels bohren zu müssen. Ziel dieser Messungen ist es, eine potenzielle Erwärmung des Gesteins möglichst frühzeitig zu erkennen und damit eine Art Frühwarnsystem für Felsstürze zu entwickeln. Steigende Temperaturen gelten als einer der wichtigsten Auslösefaktoren für derartige Katastrophen, wie die Universität Bonn berichtete.
Auf der Suche nach einer Alternative transportierten die Bonner Wissenschaftler daher ein Stück Zugspitz-Gestein in ihr Labor und ließen es mehrmals auftauen und abkühlen. Gleichzeitig bestimmten sie die elektrische Leitfähigkeit des Gesteins - und stellten fest, dass sich daraus auf die Temperatur im Innern schließen lässt. Das Prinzip: Nicht das Gestein leitet den Strom, sondern geladene Teilchen in mit Wasser gefüllten Hohlräumen. Ist das Wasser flüssig, können sie sich bewegen und die Leitfähigkeit steigt. Friert das Wasser hingegen, ist ihre Bewegung eingeschränkt und die Leitfähigkeit sinkt. "Und zwar nicht abrupt, sondern in Abhängigkeit von der Temperatur", erläutert der Geophysiker Andreas Kemna. Anfangs sind nur Teile des Wassers gefroren, wenn es aber kälter wird, nimmt der Anteil sehr schnell zu.
Am Gipfel funktioniert die Messung so: In einem Anfang des 20. Jahrhunderts gegrabenen Stollen in der Nordwand des Zugspitz-Gipfels befinden sich 140 Elektroden, die in die Wand geschraubt sind. An jeweils zwei davon wird Spannung angelegt und an allen anderen wird gemessen, wie viel Strom dort ankommt. Auf diese Weise erhalten die Wissenschaftler pro Tag mehr als 1.400 Werte, aus denen sie auch die Verteilung der Leitfähigkeit und damit der Temperatur im Inneren des Gesteins ableiten können. Werden dann die Tomografie-Bilder von Monat zu Monat verglichen, lassen sich Temperatur-Trends leicht ablesen. So konnten die Forscher bereits zeigen, dass sich das Gestein im Frühjahr und Sommer nach und nach erwärmt und dabei die Permafrost-Zone, in der dauerhaft Temperaturen unter Null herrschen, immer kleiner wird.
Wärmeres Gestein ist weniger stabil, weil die Reibung zwischen zwei Felsen mit steigender Temperatur sinkt - vermutlich, weil sich feine Unebenheiten in den Oberflächen leichter abschleifen. Welche Folgen das haben kann, illustriert ein Vorfall, der sich vor 3.700 Jahren als Spätfolge einer Klimaerwärmung 2.300 Jahre zuvor ereignete: Damals brach innerhalb weniger Minuten ein 900 Meter hohes Felsstück aus der Nordflanke der Zugspitze und 400 Millionen Kubikmeter Geröll donnerten ins Tal - soviel, dass man einen Güterzug von 50.000 Kilometern Länge bräuchte, um es wegzuschaffen.
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