Vor Entscheidung: Atomkritische Organisationen verlangen Ausstieg

04.06.2010 von
Im Streit um die Laufzeitverlängerung für deutsche Kernkraftwerke rückt eine Entscheidung näher. Die Unions-Ministerpräsidenten wollen dem Vernehmen nach kurz vor der Sitzung des Bundesrates in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über dieses Thema sprechen. Geplant war am Freitagfrüh im Berliner Kanzleramt eine Gesprächsrunde mit Länderchefs und den zuständigen Ministern. Die Anti-Atomkraft-Bewegung kündigte für die kommenden Tage Proteste in Berlin und den Ländern an.
 
Atomkritische Organisationen forderten eine Abkehr von der Kerntechnologie. Die Umweltschutzorganisation WWF erklärte, eine Verlängerung der Laufzeiten wäre ein schwerer Fehler und würde den notwendigen Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien verzögern. Eine fast vollständige Vermeidung von CO2 sei bis zum Jahr 2050 ohne jegliche Laufzeitverlängerung möglich und bezahlbar, betonte der WWF unter Verweis auf eigene Berechnungen.
 
Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) halten die Atomtechnik für zu gefährlich. Die IPPNW-Organisation hielt der Bundesregierung vor, sie setze auf den langjährigen Weiterbetrieb einer Technik, die gefährlich und überflüssig sei. Die Energiewirtschaft will eine Verlängerung der Gesamtlaufzeit auf bis zu 60 Jahre pro Meiler erreichen.
 
Nach wie vor strittig ist, ob eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken im Bundesrat zustimmungspflichtig ist. Diese Haltung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wird vom ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, geteilt. In einem Gutachten kommt er zu dem Schluss, längere Meilerlaufzeiten könnten nur mit Zustimmung der Länderkammer beschlossen werden. Es handele sich nicht nur um eine "marginale, sondern wesentliche, vollzugsfähige und vollzugsbedürftige Änderung des bestehenden Atomrechts". Eine solche Änderung sei nach Artikel 87 c Grundgesetz "zustimmungsbedürftig".
 
Auch das Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium warnen vor verfassungsrechtlichen Risiken. Eine zustimmungsfreie Ausgestaltung des notwendigen Gesetzes wäre "mit einem nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Risiko verbunden", heißt es im 19-seitigen "Gutachten zur Zustimmungsbedürftigkeit einer Änderung des Atomgesetzes zur Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken", das der Passauer Neuen Presse vorliegt.
 
Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn warnte, die Regierung habe nur zwei Möglichkeiten, für Rechtssicherheit zu sorgen. Entweder sie lege ihre Atompläne dem Bundesrat zur Zustimmung vor, oder sie lege sie endgültig zu den Akten. Am Bundesrat vorbei beschlossene Laufzeitverlängerungen seien verfassungsrechtlich hochproblematisch. Wer immer neuer Bundespräsident werde, dürfte ein solches Gesetz nicht unterschreiben, betonte Höhn. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte voraus, wer Laufzeitverlängerungen wolle, werde "krachend scheitern - am Bundesrat, an einer starken Anti-Atombewegung und an der großen Mehrheit der Bevölkerung".
 
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