Keine Angst vor hohen Strompreisen nach Moratorium
Die sieben ältesten Atomkraftwerke in Deutschland werden vorläufig stillgelegt. Ob sie jemals wieder ans Netz gehen, ist ungewiss. Das lässt bei einigen Verbrauchern Befürchtungen vor einem drastischen Anstieg der Strompreise wach werden. Doch nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur dapd halten viele Experten derartige Befürchtungen für übertrieben.
Der Chef des auf die Energiebranche spezialisierten Analysehauses Energy Brainpool, Tobias Federico, etwa geht davon aus, dass selbst bei einer endgültigen Stilllegung der sieben Reaktoren der Strompreis nur um zehn Euro pro Megawattstunde steigen würde. "Dies wären dann ein Cent je Kilowattstunde für den Endkunden", rechnet er vor. Die Verteuerung fiele damit geringer aus als die zum Jahreswechsel von den meisten Stromkonzernen weitergegebene Erhöhung der EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien.
Federico steht mit seiner Einschätzung nicht alleine. Nach Einschätzung des Energieexperten Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes dürfte sich eine Abschaltung einzelner Reaktoren gar nicht auf den Preis auswirken. Doch auch eine zügige Abschaltung der sieben ältesten Meiler würde nach seiner Analyse die Verbraucher nicht allzu sehr belasten. Schließlich entfalle gerade einmal ein Drittel des Strompreises, den der Endverbraucher zahle, auf die Stromproduktion.
Auch der Energieexperte Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) meint, ein Ausstieg wie von der früheren rot-grünen Bundesregierung vorgesehen sei technisch problemlos umsetzbar - mit überschaubaren Kosten. "Nach unseren Berechnungen würde der Strompreis um etwa zehn Prozent höher liegen als bei einer Beibehaltung der Laufzeitverlängerung", sagte Frondel.
Skeptisch ist der RWI-Experte allerdings, was die Frage eines Sofortverzichts auf die sieben ältesten Reaktoren angeht. "Es ist fraglich, ob ein Drittel der Atomstromerzeugung ohne Verwerfung von heute auf morgen abschaltbar wäre. Gerade weil die Reaktoren rund um die Uhr das ganze Jahr Strom liefern, sind sie nicht leicht ersetzbar, ohne dass die Strompreise spürbar steigen und die Stromversorgung ins Wanken kommt", sagt er.
RWE-Chef Jürgen Großmann allerdings warnt in einem am Dienstag veröffentlichten Zeit-Interview ausdrücklich vor hohen Kosten, sollte sich Deutschland aus der Atomenergie zurückziehen. Die Gesellschaft müsse anerkennen, "dass man in einem Industrieland nicht einfach so auf Kohle und Kernenergie verzichten kann, wenn man Wohlstand und Versorgungssicherheit erhalten will". Es sei zwar "richtig, auf Erneuerbare zu setzen und sie auszubauen, aber man muss wissen, welchen Preis man dafür bezahlen will". Billige Energie und gleichzeitiger Komplettumbau der Stromversorgung seien eine Illusion, sagt er.
Mut kann den Verbrauchern in Deutschland allerdings eine Studie des Öko-Instituts für die Bundesregierung aus dem Jahr 2009 machen. Darin kamen die Experten aufgrund eines internationalen Vergleichs zu dem Ergebnis, dass es keinen Zusammenhang zwischen hohem Kernenergie-Anteil und Strompreisniveau gibt. Auch der vorübergehende Ausfall von 45 Prozent der deutschen Kernkraftwerksleistung im Spätsommer 2007 habe damals nicht zu erkennbaren Preissteigerungen geführt, berichteten die Experten.
(Erich Reimann / dapd)














