Gaskraftwerke: Grüne für ökonomische Anreize
Die Nachrichtenagentur dapd sprach mit dem baden-württembergischen Umwelt- und Energieminister Franz Untersteller (Grüne)über die notwendigen Schritte bei der Energiewende.
dapd: Herr Untersteller, Deutschland war immer ein Stromexportland, droht jetzt aber nach dem beschlossenen Atomausstieg und der Abschaltung zahlreicher Atomkraftwerke zu einem Importland von Strom zu werden. Auch von Atomstrom, aus Frankreich oder Tschechien?
Untersteller: Dass wir zeitweise Strom importieren müssen, ist nicht auszuschließen. Was ich aber ausschließe ist, dass zum Beispiel Frankreich neue Atomstromkapazitäten aufbaut, um unseren Bedarf zu decken.
Frankreich speist seinen Strom wie alle anderen auch in das europäische Netz ein, gehandelt wird er dann an der Börse. Bei Mehr-Bedarf werden die Franzosen vielleicht mehr Strom anbieten, aber der wird in konventionellen Kraftwerken erzeugt, die flexibler zu- und abzuschalten sind. Unterm Strich: Mehr Stromimport heißt mitnichten Mehr-Atomstrom-Import.
dapd: Welche Vorsorge zur Sicherstellung der Stromversorgung wird für Baden-Württemberg getroffen, wenn bis 2022 mit Philippsburg 2 und Neckarwestheim II die letzten Atommeiler vom Netz gehen?
Untersteller: Kurzfristig, also für die nächsten beiden Winter ist das Problem gelöst mit den sogenannten Kaltreserven, die wir gemeinsam mit der Bundesnetzagentur gefunden haben. Mittelfristig ist das Problem auch weitgehend gelöst mit dem Bau der Steinkohleblöcke GKM 9 und RDK 8 in Mannheim und Karlsruhe.
Das Problem ist, dass der Markt heutzutage nicht ausreichend Signale an Investoren gibt, dass es sich rentiert, in Backup-Kapazitäten zu investieren. Im Gegenteil: die Börse in Leipzig gibt das Signal, dass es ausreichend Kapazität auf dem Markt gibt. Von daher muss man meiner Ansicht nach über ökonomische Anreize nachdenken für den Bau solcher Backup-Kraftwerke.
dapd: Wie könnten diese aussehen? In der Diskussion sind Gaskraftwerke als Ersatz für die Atomkraft. Doch aus Sicht der Konzerne rechnen sich diese nicht.
Untersteller: Da gibt es im Moment unterschiedliche Überlegungen. Wir favorisieren die Idee der Kapazitätsmärkte. Das bedeutet in einem Satz, dass nicht nur die Erzeugung von Strom, sondern auch die Bereitstellung von Erzeugungskapazität auf die eine oder andere Art vergütet wird.
Praktisch könnte das so aussehen, dass man regionalspezifisch Kapazitäten ausschreibt. Für Süddeutschland könnte man zum Beispiel eine gewisse Menge europaweit ausschreiben und daran gewisse Anforderungen hinsichtlich CO2-Emission und Wirkungsgrad stellen, sodass zum Schluss klar ist, es können nur Gaskraftwerke sein.
Es kommt derjenige zum Zug, der das günstigste Angebot zur Bereitstellung von Erzeugungskapazitäten macht. Wir werden in Kürze ein Gutachten zur Ausgestaltung solcher Kapazitätsmärkte vorlegen. Wir sind erst einmal offen, wie man das genau gestaltet. Aber dass man über ökonomische Ansätze nachdenken muss, steht für mich außer Zweifel.
dapd: Sind Sie da von der Bundespolitik abhängig?
Untersteller: Die Kapazitätsmarktidee müsste man wahrscheinlich im Energiewirtschaftsgesetz verankern. Ich habe den Eindruck, dass man im Bundesumweltministerium oder auch Bundeswirtschaftsministerium diese Problematik durchaus erkannt hat und es auch eine Offenheit dafür gibt. Ich gehe mal davon aus, dass die Frage, in welcher Form wir ökonomische Anreize schaffen, im Jahre 2012 entschieden wird und zwar möglichst im ersten Halbjahr.
dapd: Für eine baldige Nutzung Erneuerbarer Energien fehlen unter anderem die Netzstruktur, um Offshore-Strom vom Norden in den Süden zu bringen, aber auch die Speichermöglichkeiten. Auch Speicherkraftwerke gelten als nicht rentabel. Wie kann man deren Bau trotzdem forcieren?
Untersteller: Mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz sind in diesem Sommer zentrale Planungszuständigkeiten auf die Bundesnetzagentur übergegangen, was den länderübergreifenden Netzausbau anbetrifft. Die großen Netzbetreiber sind angehalten, bis zum Sommer kommenden Jahres die Grundlagen zu liefern für den Ausbauplan.
Wichtige Weichen sind gestellt worden, um den Investitionsstau aufzulösen. Bei den Speicherkapazitäten sind wir in einer ganz schwierigen Situation. Das ist der Grund, warum ich mich massiv dagegen gewandt habe, dass Pumpspeicherstrom auch im neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz mit einer Umlage belastet wird, was Schwarz-Gelb in Berlin gemacht hat.
Mittlerweile habe ich den Eindruck, auch dort sieht man, dass man einen Fehler gemacht hat. Es wird jetzt darum gehen, diesen Fehler zu korrigieren. (dapd / kvg / nik /1)