Warnstreik im Atomkraftwerk
Der letzte Ausstand von RWE-Beschäftigten liegt schon eine Weile zurück. Genau genommen haben die Mitarbeiter des heutigen Energiekonzerns das letzte Mal im Jahr 1919 für bessere Arbeitsbedingungen und für eine höhere Entlohnung gestreikt. Jetzt ist es wieder soweit: Allein am Tor zum Atomkraftwerk Biblis haben sich am Montag etwa 200 Mitarbeiter zu einem Warnstreik versammelt.
Anders als in den vergangenen Jahren sind sie unzufrieden mit dem, was der Vorstand in Essen bietet.
Der Streik in Biblis ist nach Angaben der Gewerkschaft ver.di der erste in einem deutschen Atomkraftwerk überhaupt. Dessen Funktionsfähigkeit und Sicherheit sind bei dem Warnstreik nicht beeinträchtigt. Die dazu relevanten Abteilungen der Anlage mit ihren insgesamt rund 700 Mitarbeitern bleiben ausreichend besetzt. Ein RWE-Sprecher in Essen weist darauf hin, dass auch die Stromproduktion gesichert bleibt. ver.di-Fachbereichsleiter Frank Haindl geht aber schon davon aus, dass die Einbeziehung des Atomkraftwerks in den Warnstreik beim Vorstand des Energiekonzerns Eindruck macht.
"Es kann doch nicht sein, dass die da oben selbst entscheiden, wie hoch ihr Gehalt ist und uns gleichzeitig mit 2,4 Prozent Lohnerhöhung abspeisen wollen", sagt Kai Sperber. Der 31 Jahre alte Maschinenschlosser ist sauer. Weil der Konzern demnächst für viele Millionen Euro die Blöcke A und B des alten Meilers nachrüsten muss, könne man doch nicht bei "den Kleinen" einsparen, findet er. Sein Kollege Michael Weigold pflichtet bei: "Die Stimmung unter den Kollegen ist schlecht."
Bis 11.30 Uhr sind sie nach und nach aus dem Kraftwerk geströmt, haben sich die rot-weißen Streikwesten von ver.di über die blauen Werkanoraks gezogen und Stellung vor ihrem Arbeitsplatz bezogen. "Wir sind unzufrieden", sagt einer mit grimmiger Mine. Unzufrieden, weil das momentane Angebot der Konzernspitze weit unter der von ver.di und der Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie (IG BCE) geforderten Lohnerhöhung von 6,5 Prozent liegt. "2,4 Prozent plus eine Einmalzahlung, das ist definitiv zu wenig, zumal der Konzern im zurückliegenden Jahr über sieben Milliarden Euro erwirtschaftet hat", schimpft auch Fachbereichsleiter Haindl. Das Angebot der Arbeitgeber - nach mittlerweile fünf Verhandlungsrunden - sei "unsäglich".
Doch die Ingenieure, Labormitarbeiter, Schlosser und Chemiker vor dem Atomkraftwerk sind bei weitem nicht die einzigen, die mit Blick auf die sechste Verhandlungsrunde am Dienstag ein Zeichen setzen wollen: "Wir rechnen damit, dass am Montag und am Dienstag von den 24.000 RWE-Mitarbeitern in der Republik ungefähr 8.000 in den Warnstreik treten könnten", sagt Haindl. Ab Dienstag (25. Januar) wird laut Gewerkschaftsangaben in Dortmund weiter verhandelt.
Und wenn die Konzernspitze auch am Dienstag nicht nachgibt? "Dann könnte es tatsächlich soweit kommen, dass sogar die Mitarbeiter in Biblis die Arbeit niederlegen, so dass nur noch mit einer Notbesetzung gearbeitet werden kann", warnt ver.di-Mann Haindl und stellt einen unbefristeten Streik in Aussicht. Für einen solchen Fall müssten sich die Verantwortlichen in der Essener Konzernzentrale überlegen, ob es nicht besser wäre, den Reaktor herunterzufahren.
dapd / Stephen Wolf)
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