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Wahlforscher: Atomdebatte bringt Aufwind für Grüne

15.03.2011 von

Die GrünenDer nukleare Notstand in Japan hat die Debatte über die Kernkraft in Deutschland mit großer Wucht auf die Tagesordnung zurückgeholt. Im vergangenen Jahr noch waren Zehntausende auf die Straße gegangen, um gegen die Laufzeitverlängerung für deutsche Atommeiler zu protestieren.
Zuletzt rückte das Thema jedoch in den Hintergrund. Nun ist es wieder da - und präsenter denn je.

Die politischen Auswirkungen der japanischen Reaktorkatastrophe sind in Deutschland groß. Das Thema wird die anstehenden Landtagswahlen deutlich beeinflussen - da sind sich Meinungsforscher sicher. Die Bundesregierung hat angesichts des Drucks soeben ihren atompolitischen Kurs geändert. Und: Den Grünen gibt die wieder aufgeflammte Atomdebatte neuen Aufwind.

Das Ur-Thema der Grünen

Die Partei ist aus der Anti-Atomkraft-Bewegung entstanden. Für die Grünen ist der Kampf gegen die Kernkraft das ureigenste Thema. Schon im vergangenen Jahr profitierte die Partei vom wachsenden Widerstand der Bevölkerung gegen die deutschen Atommeiler. Die Umfragewerte der Grünen schnellten nach oben - zwar nicht nur wegen des Themas Kernkraft. Doch die Atomdebatte und die allgemeine Anti-AKW-Stimmung hatten einen wichtigen Anteil am demoskopischen Erfolg der Grünen.

Mit dem Leiserwerden der Atomdiskussion - und dem Abflauen der hitzigen Proteste gegen "Stuttgart 21" - endete allerdings auch der Höhenflug der Grünen. Zuletzt gingen die Umfragen wieder nach unten. In Baden-Württemberg büßten die Grünen ihre Führung vor der SPD ein, in Sachsen-Anhalt steht der Einzug den Landtag auf der Kippe.

Schon der Start ins Wahljahr in Hamburg missglückte den Grünen: In der Hansestadt verbesserte sich die Partei im Vergleich zur jüngsten Wahl zwar leicht, aber der Zuwachs blieb weit hinter dem zurück, was die Umfrageergebnisse hatte hoffen lassen. Das Resultat: Sie rutschten von der Regierungs- auf die Oppositionsbank. Auch wenn die Hamburg-Wahl ihre Eigenheiten hatte und nichts über das Kräfteverhältnis im Bund aussagt, war das Signal zum Jahresauftakt denkbar schlecht.

Die aktuelle Debatte um die Atomkraft könnte den Grünen nun einen neuen Höhenflug bescheren. Die besorgniserregende Entwicklung in Japan mache das Thema Atom hierzulande präsenter als je zuvor und führe zu einem Wiedererstarken der Grüne, sagt der Wahlforscher Matthias Jung im Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Die Partei könne ihre kleine Delle in den Umfragen der vergangenen Wochen damit ausgleichen. "Wie lange das trägt und wie hoch das geht, lässt sich aber nicht genau prognostizieren", meint der Leiter der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen.

"Grüne sind bei Atom am authentischsten"

Keine andere Partei profitiere so sehr vom Fokus auf die Kernkraft, sagt Jung. "Beim Thema Anti-Atom sind die Grünen am authentischsten." Ihnen werde hier die höchste Kompetenz und Glaubwürdigkeit zugeschrieben.

Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am kommenden Wochenende werde die Debatte vermutlich keine so gravierenden Auswirkungen zugunsten der Grünen bringen, sagt Jung voraus. Bei der Wahl in Baden-Württemberg in der Woche darauf könnten aber bereits wenige Prozentpunkte den Ausschlag geben und zu einem Machtwechsel führen.

Auch der Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner rechnet damit, dass die Atomkraft gerade in Baden-Württemberg zum zentralen Wahlkampfthema wird. Dort gibt es 4 der 17 deutschen Kernkraftwerke - und mehrere ausländische Meiler unweit der Landesgrenzen.

Zwar habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erste Konsequenzen aus der Atomkatastrophe gezogen und die geplante Verlängerung der Laufzeiten für deutsche Kernkraftwerke ausgesetzt, doch das könne nicht mehr verhindern, dass der "Atom-GAU in Japan in den nächsten Wochen zum alles beherrschenden Thema in Deutschland wird", sagt Schöppner. Profitieren könnten von der Debatte in erster Linie die Grünen, sagt der Chef von TNS Emnid. "Ihre Position zur Atomkraft hat beim Wähler die größte Glaubwürdigkeit."

Wie viel neuen Aufwind die Grünen tatsächlich bekommen, wird sich in den kommenden zwölf Tagen zeigen - bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

(Christiane Jacke / dapd)

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