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Krieg der Papiere um AKW-Laufzeitverlängerung


Im heftigen Streit um die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke gibt es eine Schlacht der Papiere. Die meisten Gutachten sollen belegen, dass eine Laufzeitverlängerung vom Bundesrat abgesegnet werden müsste - doch es gibt auch Gegenmeinungen.
 
AtommüllAus dem Streit um eine Beteiligung des Bundesrats an der Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ist ein Papierkrieg geworden. Während Politik und Energieversorger noch um längere Laufzeiten ringen, haben mehrere Verfassungsrechtler bereits Position bezogen. Tendenziell gehen sie davon aus, dass der Bundesrat einer Verlängerung der Laufzeiten zustimmen müsste - oder zeigen sich zumindest skeptisch, ob ein Gesetz ohne Zustimmung der Bundesländer am Ende auch vor dem Karlsruher Verfassungsgericht Bestand haben wird. SPD und Grüne haben bereits Verfassungsklage angekündigt.
 
Hintergrund der Debatte ist die verlorene Wahl in Nordrhein-Westfalen Anfang Mai. Wird NRW künftig von einer rot-grünen Minderheitsregierung geführt, ist für Schwarz-Gelb auch die Bundesratsmehrheit dahin.
 
Damit steht auch das Projekt Laufzeitverlängerung auf der Kippe. Bei dem Projekt geht es sowohl um die künftige Energieversorgung als auch um viel Geld. Nach Berechnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) könnten die Energieversorger bei einer Laufzeitverlängerung um zehn Jahre Zusatzgewinne von insgesamt rund 44 Milliarden Euro erzielen. Davon will auch die Bundesregierung profitieren und hat die längeren Laufzeiten bereits fest in ihr Sparpaket eingeplant. Mit 2,3 Milliarden Euro jährlich sollen sich die Energiekonzerne an der Sanierung des Haushalts beteiligen.
 
Innerhalb der Koalition gehen die Meinungen über die Zukunft der Atomenergie jedoch weit auseinander - vor allem die CDU ist gespalten. Bundesumweltminister Norbert Röttgen geht davon aus, dass der Bundesrat bei der Verlängerung "tendenziell" ein Wörtchen mitzureden hat. Die Ministerpräsidenten Peter Müller und Christine Lieberknecht sehen dies ähnlich und verweisen darauf, dass die Verwaltung der Kraftwerke den Ländern obliegt.
 
Dezidiert anderer Auffassung sind Kanzleramtsminister Ronald Pofalla sowie die Ministerpräsidenten Stefan Mappus und Roland Koch (alle CDU). Gern erinnern sie daran, dass auch der Atomausstieg ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen wurde. Gekämpft wird mit harten Bandagen: Mappus legte Röttgen indirekt sogar den Rücktritt nahe.
 
Rückendeckung für seine Rechtsauffassung erhielt der promovierte Jurist Röttgen kürzlich von prominenter Stelle. So beschied der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, in einem Gutachten: Längere Laufzeiten könnten nur mit Zustimmung der Länderkammer erfolgen, weil es sich nicht nur um eine "marginale, sondern wesentliche, vollzugsfähige und vollzugsbedürftige Änderung des bestehenden Atomrechts" handle. Dies sei nach Artikel 87 c des Grundgesetzes "zustimmungsbedürftig". Die Studie hatte Röttgens Haus in Auftrag gegeben.
 
Ebenfalls im Auftrag des Umweltministeriums war zuvor der Verwaltungswissenschaftler Joachim Wieland zu einem ganz ähnlichen Schluss gekommen. Mit der Laufzeitverlängerung gehe "auch eine Verlängerung der Auftragsverwaltung und damit der Beschränkung der Verwaltungshoheit der Länder" einher, "die nur mit Zustimmung des Bundesrats zulässig ist."
 
Zum gegenteiligen Schluss kommt der Staatsrechtler und ehemalige Minister Rupert Scholz (CDU). Ein Gesetz zur Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke könne "ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden", schreibt Scholz in einem aktuellen Gutachten, aus dem die Bild-Zeitung zitierte. Zugleich übte er deutliche Kritik an Papier und Wieland. Mit ihrer Haltung stünden sie "in offenen Widerspruch zu den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts und der Kommentatoren des Grundgesetzes."
 
Etwas zurückhaltender zeigten sich zuvor die Juristen aus dem Bundesjustiz- und Innenministerium, die vom Kanzleramt beauftragt worden waren. Zusammenfassend kommen sie zu dem Ergebnis, "dass eine zustimmungsfreie Ausgestaltung eines solchen Gesetzes noch vertretbar erscheint, aber mit einem nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Risiko verbunden wäre, über dessen Hinnahme letztlich politisch zu entscheiden ist." Allerdings halten sie eine Aufspaltung in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz für möglich.
 
Die Juristen des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags gehen davon aus, dass es weitgehend beim Bundestag liegt, "ein Gesetz so zu beschließen, dass die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist." Bis Ende August will sich die Koalition auf die Eckpunkte einer Laufzeitverlängerung verständigen. Einer möglichen Klage sieht die Regierung dabei gelassen entgegen. Er sehe keine Notwendigkeit "für derartigen Alarmismus", stellte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Mittwoch klar. Kanzleramtsminister Pofalla hatte zuvor angekündigt, "ein verfassungskonformes, zustimmungsfreies Gesetz" vorzulegen.
(ddp / Nicole Scharfschwerdt)
 
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