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In Biblis bleiben die Sektflaschen noch zu
Da einigt sich die schwarz-gelbe Koalition nach monatelangem Gerangel auf längere Laufzeiten der Atomkraftwerke, doch am Standort des ältesten Meilers im südhessischen Biblis bleibt der Jubel aus. "Sekt und Selters stehen bereit, aber die Flaschen bleiben noch geschlossen", sagt Bürgermeisterin Hildegard Cornelius-Gaus.
Und auch der AKW-Betriebsrats-Vorsitzende Reinhold Gispert kann an dem für die Atomindustrie so historischen Tag von keinen Freudenkundgebungen der Belegschaft berichten. Die AKW-Befürworter sehen auch nach der Einigung von Berlin noch zu viele Fragen offen, vor allem, was die kostenträchtigen Auflagen einer möglichen Nachrüstung angeht. Eine klare Gefühlslage gibt es nur bei den Kernkraftgegnern: Sie sind entsetzt und sehen längere Laufzeiten gerade bei alten Reaktoren in Biblis als immense Bedrohung für die Sicherheit an.So recht glücklich macht der Berliner Atomkompromiss also zumindest in Sachen Biblis noch niemanden. In der südhessischen Stadt hoffen Geschäftsleute und Inhaber von Lokalen jetzt erst einmal auf weitere acht Jahre gute Kundschaft. Vor allem bei den regelmäßig fälligen Revisionen reisen stets eine Menge Fachleute von außen an. Sie übernachten in Biblis und Umgebung, speisen in den ortsansässigen Lokalen und kaufen in den Geschäften ein, wie Bürgermeisterin Cornelius-Gaus berichtet. Insofern setzt die CDU-Kommunalpolitikerin natürlich ohne Wenn und Aber auf eine längere Laufzeit des Atomkraftwerks mit seinen beiden Blöcken.
Der im August 1974 in Betrieb genommene Block A ist inzwischen der älteste Meiler eines Kernkraftwerks in ganz Deutschland, und auch Block B ist nur gerade einmal zwei Jahre jünger. Nach dem im Jahr 2000 noch unter Rot-Grün mit den Betreibern geschlossenen Atomkonsens hätte Block A bereits 2009 abgeschaltet werden sollen, und Block B wäre noch in diesem Jahr fällig. Allerdings waren beide Meiler in den letzten Jahren mehrfach über Monate abgeschaltet, teils wegen Wartungsarbeiten oder Nachrüstungen, aber auch Pannen hatte es mehrfach gegeben. Biblis A konnte so erst einmal bis 2011 planen, für Biblis B hoffte Betreiber RWE samt Übertragung von Reststrommengen aus einem stillgelegten AKW auch ohne Gesetzesänderung auf einen Weiterbetrieb bis 2013.
Nach der Koalitionseinigung vom Sonntag sollen die ältesten Atomkraftwerke jetzt noch acht Jahre weiterlaufen, was eine Stromproduktion in Biblis mindestens bis 2018 sichern würde.
Allerdings gibt es da durchaus noch Fragezeichen. "Acht Jahre
Laufzeit: Wenn es so kommt, wäre das eine gute Sache", sagt die Bürgermeisterin. Nur müsse man erst einmal abwarten, welche Forderungen an die Betreiber gestellt werden. Auch sei unklar, wie weit die ihnen neu auferlegten Abgaben an den Staat etwa die Gewerbesteuer für die Gemeinde minderten. "Aber es geht ja nicht nur ums schnöde Geld", fügte Cornelius-Gaus hinzu. Schließlich hingen viele Existenzen an dem Weiterbetrieb: Sie nennt 1.000 Arbeitsplätze unmittelbar am Ort und Aufträge im Landkreis Bergstraße und der gesamten Region von geschätzten 75 Millionen im Euro im Jahr.
Allerdings gibt es da durchaus noch Fragezeichen. "Acht Jahre
Laufzeit: Wenn es so kommt, wäre das eine gute Sache", sagt die Bürgermeisterin. Nur müsse man erst einmal abwarten, welche Forderungen an die Betreiber gestellt werden. Auch sei unklar, wie weit die ihnen neu auferlegten Abgaben an den Staat etwa die Gewerbesteuer für die Gemeinde minderten. "Aber es geht ja nicht nur ums schnöde Geld", fügte Cornelius-Gaus hinzu. Schließlich hingen viele Existenzen an dem Weiterbetrieb: Sie nennt 1.000 Arbeitsplätze unmittelbar am Ort und Aufträge im Landkreis Bergstraße und der gesamten Region von geschätzten 75 Millionen im Euro im Jahr.
Ein Aufrechnen Arbeitsplätze gegen Sicherheit darf es nach Auffassung der Atomkraftgegner aber nicht geben. Ingo Hoppe von der Bürgerinitiative "AKW-Ende" Bergstraße kündigt daher auch schon neue Proteste an. So ist in Kürze eine "Abstandsaktion" geplant, bei der mit Schildern am jeweiligen Ortsausgang warnend darauf hingewiesen werden soll, wie nah die bedrohlichen Meiler etwa von Mannheim, Worms oder Darmstadt aus seien. Die Kritiker können sich auf Experten wie Wolfgang Renneberg berufen, der als ehemaliger Abteilungsleiter in den Umweltministerien sowohl des Landes Hessen als auch des Bundes schon selbst die Atomaufsicht innehatte.
Schließlich hätten die älteren Kraftwerke erheblich höhere Risiken als die neueren. Biblis sei nicht gegen Flugzeugabstürze geschützt, habe keine externe Notstandswarte, und auch die dort benutzten Werkstoffe würden in neueren Meilern längst nicht mehr verwendet, sagt er. Die veralteten Rohrleitungen zum Kühlen des Reaktors verringerten die passive Sicherheit zur Störfallvermeidung wie auch die aktive zur Störfallbeherrschung.
Schließlich hätten die älteren Kraftwerke erheblich höhere Risiken als die neueren. Biblis sei nicht gegen Flugzeugabstürze geschützt, habe keine externe Notstandswarte, und auch die dort benutzten Werkstoffe würden in neueren Meilern längst nicht mehr verwendet, sagt er. Die veralteten Rohrleitungen zum Kühlen des Reaktors verringerten die passive Sicherheit zur Störfallvermeidung wie auch die aktive zur Störfallbeherrschung.
Und Renneberg rechnet auch nicht damit, dass Betreiber RWE für die verbleibenden acht Jahre noch stark nachrüsten wird. Das rechne sich einfach nicht, mit Blick auf die geringe Restlaufzeit sei ja schon beim Atomkonsens 2000 auf strengere Auflagen verzichtet worden, berichtet der ehemalige Aufsichtsbeamte. Kommen aber doch solche Auflagen, könnte sich der Betreiber fragen, wie lange er wirklich Biblis A und B noch am Netz lässt. Auch die neue hessische Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) ist deshalb vorsichtig. Sie begrüßt die Berliner Einigung. "Für weitere Bewertungen warten wir erst einmal die Details ab. Das gilt auch für Biblis", fügt sie hinzu. Der Betriebsratsvorsitzende Reinhold Gispert will erst einmal abwarten, wie das geplante Gesetz aus den Ausschüssen zurückkommt.
Und Bürgermeisterin Cornelius-Gaus mahnt: "Es gibt noch keinen Grund, um Friede, Freude, Eierkuchen zu rufen."
Und Bürgermeisterin Cornelius-Gaus mahnt: "Es gibt noch keinen Grund, um Friede, Freude, Eierkuchen zu rufen."
(ddp / Gerhard Kneier)
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